Tennis braucht mehr Heldinnen
WTB-Trainerin Micki Kochendörfer über Sorgen im Mädchentennis, fehlenden Mut zu Turnieren, die Rolle von Eltern und Vereinen – und warum Tennis trotzdem toll ist.
WTB: Du bist als Verbandstrainerin viel unterwegs und führst regelmäßig Sichtungen durch – wie nimmst du aktuell die Situation bei den Mädchen wahr?
Micki Kochendörfer: Ich bin in meiner Region regelmäßig unterwegs und führe Sichtungen im Rahmen der Regionalsichtung sowie bei festen Terminen während der Förderstufe-1-Lehrgänge durch. Weitere Sichtungen finden vor allem im Winter (Januar bis April) statt, z. B. beim BMW-Munding Cup oder Bezirkscup.
Zusätzlich nutze ich Next-Level-Turniere und gelegentliche Vereinsbesuche, um talentierte Mädchen gezielt anzusprechen und zu Förderstufe-1-Lehrgängen einzuladen. So sammeln sie erste Erfahrungen im Verbandsumfeld und Leistungstraining.
Die aktuelle Situation im Mädchenbereich ist leider sehr schwach. Trotz attraktiver Turnierformate, auch speziell für Mädchen, sinkt die Zahl derer, die sich im Einzelsport messen wollen. Bei der diesjährigen Regionalsichtung war beispielsweise nur ein Mädchen dabei.
Die Förderung im Mädchenfußball hat sich stark verbessert, was viele Mädchen eher in Teamsportarten zieht. Im Tennis erscheinen meist Kinder von Tenniseltern. Der Druck im Einzelsport ist für viele zu hoch, sie wollen Niederlagen vermeiden. Manche bevorzugen zudem andere Aktivitäten wie Tanzen oder Reiten.
WTB: Warum, glaubst du, trauen sich viele Mädchen nicht, an Turnieren teilzunehmen?
Micki Kochendörfer: Viele Mädchen fürchten den Druck im Wettkampf und wollen Niederlagen vermeiden. Im Einzelsport steht man allein auf dem Platz, was Unsicherheit verstärkt. Oft fehlen Vorbilder oder positive erste Erfahrungen. Als Trainerin versuche ich, sie behutsam an den Wettkampfsport und die Freude am Punktespiel heran zu führen und zu zeigen, dass Turniere vor allem Chancen bieten – für sportliche Entwicklung und neue Kontakte.
Bei Turnieren wie dem Munding Cup habe ich direkten Kontakt zu den Mädchen. Wenn sie nach einer Niederlage traurig oder ängstlich sind, sage ich ihnen immer:
WTB: Welche Rolle spielen aus deiner Sicht die Eltern und Vereine bei diesem Thema?
Micki Kochendörfer: Eltern sind der wichtigste Faktor bei der Förderung ihrer Kinder. Erkennen sie die Vorteile des Leistungssports im Jugendbereich und seinen positiven Einfluss – sportlich wie persönlich – fördern sie echte Wettkampfbereitschaft und Motivation.
Verstehen Eltern, dass gemeinsame Zeit mit ihren Kindern wertvoll ist, stärkt das sowohl die sportliche Entwicklung als auch die Beziehung. Das Kind muss jedoch selbst bereit sein, sich zu messen. Die Rolle der Eltern: begleiten, nicht eingreifen – der Wettkampf gehört dem Kind.
Vereine sollten zudem schon in Kindergärten aktiv werden, um früh Interesse und Begeisterung für den Sport zu wecken.
WTB: Was unternimmt der WTB, um Mädchen gezielt zu fördern und mehr für den Wettkampfsport zu begeistern?
Micki Kochendörfer: Der WTB bietet viele starke Programme, etwa das WTB-Mobil, die VR Talentiade, Next-Level-Turniere, das Sportabzeichen und DTB Kindertennis (früher: Talentinos).
Es ist eindeutig nicht so, dass wir im Mädchensport untätig sind. Vielmehr stellen uns der gesellschaftliche Wandel, die zunehmende Attraktivität des Mannschaftssports – auch in Verbindung mit guten Ausbildungsmöglichkeiten – sowie die hohen Kosten im Tennissport vor Herausforderungen.
WTB: Was würdest du einem jungen Talent raten, das vielleicht gern mehr machen würde, aber noch zögert?
Micki Kochendörfer: Je nach Jahrgang empfehle ich als Einstieg die Turnierform Munding Cup mit Gruppenspielen auf Zeit.
Darauf aufbauend eignen sich die Next-Level-Turniere der Altersklassen U8, U9 und U10 nach dem Play-and-Stay-Prinzip.
WTB: Was ist deine persönliche Botschaft an alle Mädchen, die noch überlegen, ob sie sich auf ein Turnier oder eine Sichtung einlassen sollen?
Micki Kochendörfer: Kommt zu den Turnieren und habt einfach Spaß! Tennis ist eine wunderschöne Sportart – gerade auch für Mädchen. Ganz nach dem Motto: „TENNIS IST TOLL!”